Vereinsamt allein – Last oder Chance ?
Günter Radtke, ein zeitgenössischer Schriftsteller hat einmal gesagt:
„Die Einsamkeit hat mich gelehrt, dass Zusammensein mit anderen etwas ziemlich Schönes ist. Und das Zusammensein mit anderen hat mich gelehrt, dass die Einsamkeit etwas ziemlich Schönes ist.“
Ein Widerspruch in sich? Nicht jeder ist in der Lage, der Einsamkeit etwas Positives abzugewinnen.
Vereinsamt allein zu sein ist für viele schmerzhaft und belastend. Einsamkeit verursacht Gefühle wie ausgeschlossen sein, verlassen, ungeliebt, vom Leben abgeschnitten, allein gelassen und nicht zugehörig zu sein.
Häufig entstehen neben seelischen auch körperliche Beschwerden, die von der inneren Leere, der Einsamkeit verursacht sind.
Einsamkeit oder Alleinsein – wo liegt der Unterschied?
Vereinsamt allein und ohne Freunde zu sein ist eine der größten Ängste vieler Menschen, direkt nach der Angst vor Arbeitslosigkeit oder schwerer Krankheit.
Eigentlich ist es kaum nachvollziehbar, warum jemand in Zeiten schneller Kommunikation via Internet oder Mobiltelefon einsam ist, sich vereinsamt allein fühlt.
Kommunikation ist so einfach geworden, und doch fällt sie vielen immer schwerer. Für viele Menschen bedeutet allein sein gleichzeitig einsam sein. Wer keinen Partner hat, glaubt sich zwangsläufig einsam fühlen zu müssen.
Ob wir uns einsam fühlen oder nicht, hängt jedoch nicht so sehr davon ab, mit wem wir gerade zusammen sind oder eben nicht. Es hängt von unserer inneren Einstellung ab. Alleinsein kann eine Wohltat sein oder als Bestrafung empfunden werden.
Selbst in einer Gruppe mit vielen Menschen können wir uns ausgeschlossen und verlassen fühlen, eben einsam. Sich vereinsamt allein zu fühlen kann auch vorkommen, wenn wir
- auf der Arbeit sind
- jung sind
- eine große Familie haben
- verheiratet sind oder einen festen Partner haben
- in sozialen Netzwerken im Internet aktiv sind
- in Gesellschaft von anderen Menschen sind.
Die Phasen der Einsamkeit
In der ersten Phase kommt es zu vorübergehender, momentaner Einsamkeit.
Das Einsamkeitsgefühl ist nur kurzfristig und häufig eine Reaktion auf äußere Umstände, wie eine Trennung, Wechsel der Arbeitsstelle, Auszug der Kinder oder Umzug.
Wir sind nur kurze Zeit durch diese Ereignisse vom Kontakt mit uns vertrauten Menschen abgeschnitten. Diese Form der Einsamkeit kann uns helfen, uns an die neue Situation anzupassen, mit der Veränderung in unserem Leben zurechtzukommen.
In der nächsten Phase der Einsamkeit fangen wir an, uns langsam aus dem sozialen Leben zurückzuziehen. Wir fangen an, uns vereinsamt allein zu fühlen. Dieses Gefühl entwickelt sich zum Dauerbegleiter.
Wir verlieren nach und nach die Fähigkeit, mit anderen Kontakt aufzunehmen, uns zu unterhalten; wir verlernen zu lächeln und über Alltägliches zu reden.
In der dritten Phase schließlich dauert das vereinsamt Alleinsein Monate oder Jahre, die Einsamkeit ist chronisch geworden. Unsere Fähigkeiten zu einem sozialen Miteinander sind verschwunden.
Wir empfinden Ablehnung, Unverständnis, fühlen uns überflüssig und unattraktiv, verlieren mehr und mehr das Vertrauen in uns selbst und unsere Fähigkeiten. Unsere Mitmenschen wissen nicht, wie sie mit uns umgehen sollen. Es heißt dann häufig: „der/die ist aber wunderlich geworden.“
Dadurch ziehen wir uns immer mehr zurück, das Gefühl vereinsamt allein zu sein wird immer stärker. Wir fühlen uns eingesperrt im Gefängnis der Isolation und Einsamkeit.
Das Gefühl vereinsamt allein zu sein überwinden
Dass wir uns vereinsamt allein und einsam fühlen, hängt in erster Linie mit uns selbst zusammen.
Wenn wir uns selbst annehmen, brauchen wir nicht die Anerkennung und Zuwendung anderer, können wir viel ungezwungener mit anderen Menschen umgehen und andere Menschen mit deren Schwächen akzeptieren.
Das Gefühl vereinsamt allein zu sein ist ein Signal, dass bestimmte soziale und/oder emotionale Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Deshalb ist es wichtig, dass wir gut zu uns selbst sind, dass wir uns selbst Wertschätzung entgegenbringen.
Wenn wir uns nicht selbst wertschätzen, wie sollen es dann andere tun? Wenn wir lernen nicht Einsamkeit zu empfinden, sondern das Alleinesein bewusst genießen, verliert es seinen Schrecken. Die Einsamkeit hat keine Macht mehr über uns.
Wir können dann auch auf andere Menschen zugehen und verlieren nicht ganz den Kontakt zur „Außenwelt“.
Nutze die Gelegenheit – vereinsamt allein aber mit sich selbst im Reinen
Wer mit sich selbst im Reinen ist, wer zufrieden ist mit seinem Leben, kann anderen Gutes tun. Das kann einfach ein Lächeln sein, das kann Zeit sein, die wir jemandem widmen, es kann unser Wissen oder einfach unsere Gesellschaft sein, die das Leben anderer bereichern.
Dadurch fühlen wir uns lebendig. Wir müssen nur dem Gefühl vereinsamt allein zu sein entgegentreten und unser Schneckenhaus verlassen, Kontakt mit unseren Mitmenschen aufnehmen. Es geht dabei nicht darum, hochgeistige Gespräche zu führen.
Für den Anfang sind das Wetter, ein interessanter Zeitungsartikel oder ganz alltägliche Dinge, wie das Fernsehprogramm, gute Gesprächsthemen.
Dadurch lassen sich soziale Ängste und Schüchternheit überwinden, die oft der Grund für soziale Isolation und Einsamkeit sind. Mit der Zeit lernen wir so, wieder unverkrampft mit anderen umzugehen und auch auf unsere Mitmenschen zuzugehen.
Vereinsamt einsam – nicht auf einen Menschen fixieren
Viele glauben, sie brauchen nur diesen einen Menschen an ihrer Seite, um die Einsamkeit zu besiegen und sich nicht mehr vereinsamt allein zu fühlen.
In Wahrheit ist es aber so, dass niemand in der Lage ist, all unsere emotionalen Bedürfnisse zu erfüllen.
Mit dem einen können wir über unser Hobby reden, mit dem anderen über unsere Familie, wieder ein anderer interessiert sich für Politik. Wichtig ist, Interesse zu zeigen und dabei auch von sich selbst etwas preiszugeben. Das vermittelt das Gefühl von Zugehörigkeit, das Gefühl der Isolation schwindet.
Darüber hinaus ist es für uns Menschen wichtig, einen Sinn in unserem Leben zu sehen, eine Aufgabe zu haben und uns gebraucht zu fühlen. Eine ehrenamtliche Tätigkeit kann dabei helfen, diesen Sinn ins Leben zurückzubringen, wieder eine Perspektive zu haben. Durch diese Tätigkeit ergeben sich dann zwangsläufig Kontakte.
Auch ein Hobby kann unser Leben wieder mit Sinn füllen. Wenn Du kein Hobby hast, kannst Du Dir Gedanken darüber machen, was Du früher immer gerne getan hast.
Eine kleine Liste kann dabei helfen, eine sinnvolle Beschäftigung zu finden. Durch ein Hobby ist es dann auch möglich, Kontakt zu Gleichgesinnten herzustellen.
Fazit
Vereinsamt allein zu sein dürfen wir nicht als Last empfinden, sondern als Chance sehen uns neu zu erfinden.
Das Alleinsein hat nämlich auch seine guten Seiten. Wir sind Herr über unsere Zeit, müssen niemandem Rechenschaft ablegen über das, was wir tun oder nicht tun.
Wir müssen bei unseren Entscheidungen keine Kompromisse eingehen.
Vereinsamt allein sein und sich dabei selbst genug zu sein, das will gelernt sein. Aber es ist nicht so schwer, dass wir es nicht auch lernen können. Um zufrieden zu sein, brauchen wir zunächst nur uns selbst.
Wenn wir uns in Gegenwart anderer Menschen einsam fühlen, liegt es vielleicht auch daran, dass wir nicht mit den richtigen Menschen zusammen sind.